Stellen Sie sich vor, Sie reichen eine Steuererklärung ein und bekommen einen Bescheid zurück, der so gar nicht Ihren Erwartungen entspricht. Dann legen Sie doch sicher Einspruch ein, damit das Finanzamt den Bescheid ändert. Sie müssen Ihren Änderungswunsch natürlich begründen – können aber auch erst einmal schnell einen Einspruch ohne Begründung einlegen und die Begründung später nachreichen. Über die Frage, ob ein solcher Einspruch ohne Begründung alle Einzelbescheide umfasst, die zu einem Einkommensteuerbescheid gehören (z.B. auch die Festsetzung der Kirchensteuer oder von Zinsen), musste das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) entscheiden.

Im Streitfall hatte der Kläger einen Bescheid über Einkommen- und Kirchensteuer sowie Solidaritätszuschlag (ohne Zinsen) erhalten. Etwas später erging ein Änderungsbescheid, in dem die Steuern sowie der Solidaritätszuschlag erhöht und Zinsen festgesetzt wurden. Dagegen legte er Einspruch ein und gab in seinem Schreiben die Überschrift „Bescheid für 2015 über Einkommensteuer Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag“ wortwörtlich wieder. Bei der darauffolgenden Korrespondenz mit dem Finanzamt merkte der Kläger an, dass die Zinsfestsetzung unzutreffend sei. Dennoch wurden die Einkommensteuer und der Solidaritätszuschlag erhöht. Ferner wurde der Antrag auf Zinsänderung abgelehnt, da hiergegen nach Ansicht des Finanzamts gar kein Einspruch eingelegt worden war.

Das FG gab jedoch dem Kläger recht: Der Einspruch richtete sich nicht nur gegen die in der Überschrift angegebenen Punkte, sondern auch gegen die Zinsen. Auf die Überschrift des Rechtsbehelfs kommt es nämlich gar nicht an. Nach Ansicht des FG muss bei einem fristwahrenden Einspruch ohne Begründung immer davon ausgegangen werden, dass auch die Zinsfestsetzung angefochten wird. Dagegen sind bei einer sofortigen Begründung nur die Bereiche angefochten, auf die im Einspruch konkret eingegangen wird. Damit unterscheidet das FG Einsprüche ohne Begründung von denen, die sofort begründet werden, da Letztere nicht mehr auf andere Festsetzungen ausgedehnt werden können.