Wenn Bürger einen Rechtsstreit mit einer Behörde für sich entscheiden wollen, müssen sie nicht nur in der Sache Recht haben, sondern auch die zentralen verfahrensrechtlichen Fristen einhalten – insbesondere die einmonatige Frist zur Einspruchseinlegung und Klageerhebung.
Hinweis: Wer das (vermeintliche) Fristende versäumt, sollte mit spitzer Feder nachrechnen, ob der Beginn und das Ende der Frist zutreffend errechnet worden sind. Für den Fristbeginn ist entscheidend, wann ein Bescheid bzw. eine Einspruchsentscheidung bekanntgegeben worden ist. Bei einer (inländischen) Übersendung per Post wird nach der Abgabenordnung der dritte Tag nach der Aufgabe des Schriftstücks zur Post als Bekanntgabetag vermutet. Der Fristbeginn ist der Folgetag.
Dass die 3-Tage-Bekanntgabefiktion entkräftet werden kann, wenn die Behörde einen privaten Postdienstleister nutzt, zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH): Im vorliegenden Fall hatte ein Kläger die Klagefrist (vermeintlich) um einen Tag verpasst. Das Finanzgericht Münster (FG) hatte die Klage zunächst aufgrund der Fristversäumnis abgewiesen, wurde vom BFH nun jedoch zu einer erneuten Prüfung verpflichtet.
Nach Meinung der Bundesrichter müssen die Beförderungsabläufe überprüft werden, wenn die Behörde (hier: eine Familienkasse) wie im vorliegenden Fall einen privaten Postdienstleister (unter Einschaltung eines Subunternehmers) nutzt. Der BFH argumentierte, dass die Einhaltung konkreter Postlaufzeiten im Rahmen der Lizensierung privater Zustelldienste nicht geprüft werde.
Das FG muss nun also in einem zweiten Rechtszug der Frage nachgehen, ob Schriftstücke nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen des privaten Dienstleisters überhaupt regelmäßig innerhalb von drei Tagen zugestellt werden.
Hinweis: Sollten die Ermittlungen ergeben, dass der Postdienstleister und der Subunternehmer regelmäßig längere Postlaufzeiten benötigen, verschiebt sich der Bekanntgabetag der Einspruchsentscheidung der Familienkasse, so dass sich die Klage letztlich doch noch als fristgemäß erweisen könnte. Betroffene Einspruchsführer können hieraus ableiten, dass sie bei (scheinbar) verfristeten Einsprüchen und Klagen eine Aufklärung der organisatorischen und zeitlichen Beförderungsabläufe des privaten Postdienstleisters einfordern können.