Wenn eine Gesellschaft, die über Verlustvorträge verfügt, umgewandelt oder verschmolzen werden soll, kann man in der Regel davon ausgehen, dass die Verlustvorträge wegfallen. Es gibt diesbezüglich mehrere Vorschriften in den Steuergesetzen, die diese Rechtsfolge herbeiführen. Doch was passiert eigentlich, wenn man nicht die Verlust- auf die Gewinngesellschaft, sondern die Gewinn- auf die Verlustgesellschaft verschmilzt?
Beispiel: Die M-GmbH ist zu 100 % an der T-GmbH beteiligt. Die M-GmbH erwirtschaftet Gewinne, während die T-GmbH seit Jahren defizitär ist und Verlustvorträge aufbaut. Die Verschmelzung der T-GmbH auf die M-GmbH (sog. Aufwärtsverschmelzung oder Upstream-Merger) führt unweigerlich dazu, dass die Verlustvorträge der T-GmbH entfallen. Es könnte aber auch überlegt werden, die M-GmbH auf die T-GmbH zu verschmelzen (sog. Abwärtsverschmelzung oder Downstream-Merger).
Finanzbeamte bezeichnen Letzteres gerne als Gestaltungsmissbrauch. Darunter versteht man eine unangemessene rechtliche Gestaltung, die bewusst dazu gewählt wird, für einen Steuerpflichtigen oder einen Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung einen gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil zu erlangen. Im Fall eines solchen Missbrauchs entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer angemessenen rechtlichen Gestaltung entstehen würde.
Die Richter des Finanzgerichts Hessen schoben diesem Ansinnen des Fiskus jedoch einen Riegel vor. Nach ihrer Sicht ist die Verschmelzung einer Gewinn- auf eine Verlustgesellschaft an sich kein Gestaltungsmissbrauch. Die Verlustuntergangsvorschriften verhindern den Vorwurf des Gestaltungsmissbrauchs schon deshalb, weil diese Spezialregelungen bereits zahlreiche Gestaltungsmissbräuche berücksichtigen; daher sei für eine allgemeine Regelung kein Raum mehr.
Hinweis: Die Finanzverwaltung hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Der Ausgang dieses Verfahrens sollte abgewartet werden, bevor entsprechende Gestaltungen umgesetzt werden.