Wenn Steuerpflichtiger und Finanzamt vor dem Finanzgericht (FG) streiten, gelten die Grundsätze rechtlichen Gehörs: Die Prozessbeteiligten müssen Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer späteren gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten zuvor hatten äußern können. Stützt das Gericht seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt, auf den es die Beteiligten nicht hingewiesen hat und der dem Rechtsstreit eine unerwartete Wendung gibt, kann ein Verfahrensmangel in Form einer Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegen. Man spricht in diesem Fall von einer Überraschungsentscheidung. In einem solchen Fall kann eine Revisionszulassung erwirkt werden.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat kürzlich in einem Beschluss erklärt, dass eine Überraschungsentscheidung jedoch nicht vorliegt, wenn das FG den entscheidungserheblichen Gesichtspunkt seines Urteils bereits in der mündlichen Verhandlung angesprochen hatte.

Im vorliegenden Verfahren wollten Kläger aus Rheinland-Pfalz die Revisionszulassung erwirken, indem sie vor dem BFH einen Verfahrensfehler in Gestalt der Verletzung rechtlichen Gehörs geltend machten. Das vorinstanzliche FG hatte den strittigen Auflösungsverlust in seinem Urteil – nach dem Klägervortrag angeblich überraschend – einem anderen Veranlagungszeitraum zugeordnet.

Der BFH sah darin jedoch keine Überraschungsentscheidung und verwies darauf, dass das FG in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich die Frage angesprochen hatte, ob der Verlust im Jahr 2009 oder 2010 anzusetzen sei. Die Verhandlung sei sogar unterbrochen worden, um dem Prozessbevollmächtigten und dem anwesenden Kläger die Gelegenheit zu geben, die neue Prozesssituation zu überdenken und darauf zu reagieren. Somit hatte durchaus Gelegenheit zur Stellungnahme bestanden. Die Kläger hatten also damit rechnen müssen, dass das FG die zeitliche Zuordnung des Verlusts wie tatsächlich erfolgt vornahm.

Hinweis: Der BFH wies die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision zurück, so dass die Kläger gegen das finanzgerichtliche Urteil nicht weiter vorgehen können.