Es gibt Zahlungen, die man nur selten im Leben erhält, wie zum Beispiel eine Jubiläumszuwendung, eine Abfindung oder die Erlöse aus der Veräußerung eines Unternehmensanteils. Sind die Einkünfte über mehrere Jahre erwirtschaftet worden, fließen aber in einem einzigen Jahr zu, spricht man steuerlich von „außerordentlichen Einkünften“. Da diese meist dafür sorgen, dass neben den Einkünften auch der Steuersatz in die Höhe geht, gibt es die Möglichkeit einer tarifbegünstigten Besteuerung. Für Betriebsveräußerungen kann diese Begünstigung nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden. Was gilt allerdings, wenn das Finanzamt die Begünstigung gewährt, ohne dass der Steuerpflichtige diese beantragt hat? Ist sie dann „verbraucht“?
Um diese Frage ging es in einem Streitfall vor dem Finanzgericht Schleswig-Holstein (FG): Der Kläger war Gesellschafter einer Gemeinschaftspraxis. 2006 schied einer der Gesellschafter aus und übertrug seinen Anteil auf die übrigen Gesellschafter. Im selben Jahr erhielt die Praxis eine Sonderzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung für mehrere Jahre. Im Feststellungsbescheid wurde der Betrag als „tarifbegünstigte Einkünfte“ festgestellt. In seiner Einkommensteuererklärung gab der Kläger den auf ihn entfallenden Teil der tarifbegünstigten Einkünfte auch an, jedoch wurde die Sonderzahlung vom Finanzamt fälschlicherweise als Veräußerungsgewinn berücksichtigt. 2016 schied der Kläger aus der Gesellschaft aus und veräußerte seinen Anteil. Für den Veräußerungsgewinn beantragte er den ermäßigten Steuersatz, den ihm das Finanzamt jedoch verweigerte, da er die Begünstigung bereits im Jahr 2006 erhalten habe.
Das FG gab dem Kläger dagegen recht. Der ermäßigte Steuersatz ist durch den Fehler des Finanzamts nicht verbraucht. Der Kläger hat im Jahr 2006 keinen Veräußerungsgewinn erzielt. Vielmehr hat das Finanzamt seine anteiligen Einkünfte fälschlicherweise als Veräußerungsgewinn berücksichtigt und die Steuerermäßigung zu Unrecht gewährt. Es gibt Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH), nach denen ein Verbrauch auch dann eintreten kann, wenn keine Vergünstigung beantragt wurde. Jedoch lag in den entschiedenen Fällen zumindest ein Veräußerungsgewinn vor. Da im Streitfall nicht einmal ein Veräußerungsgewinn vorlag, konnte auch nichts verbraucht werden. Somit musste dem Kläger der ermäßigte Steuersatz im Jahr 2016 noch einmal gewährt werden.
Hinweis: Gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt. Es bleibt abzuwarten, wie der BFH entscheidet.